Montag, 10. Juni 2024

Quo vadis, Sachsen?

Intro-Mukke

Hey ihr Lieben,

jetzt hab ich es doch wieder ewig nicht geschafft, hier was zu schreiben. Dabei geht mir oft viel durch den Kopf. Ich hatte auch immer mal wieder überlegt, zu schreiben, aber ich konnte mich dann immer nicht aufraffen, den Computer anzumachen. Und dann war es oft auch schon wieder zu spät. Wie geht es euch? Mir geht es heute nicht so gut. Gesundheitlich natürlich schon, aber das Wahlergebnis macht mir echt zu schaffen. Gerade deswegen war es mir heute auch wichtig, was zu schreiben. Ich habe gestern mit die Wahl in Löbau ausgezählt und da deutete sich das Ergebnis, das wir heute alle in der Zeitung sehen, auch schon an, aber dass es so krass wird, hätte ich nicht gedacht. Diese eine Karte, wo der komplette Osten blau ist, ist furchtbar für mich. Wie kann das denn sein? Kann man immer noch sagen, dass das alles Protestwähler sind, oder ist der Großteil tatsächlich überzeugt? Warum geht es den Menschen? Lesen sie das Wahlprogramm? Wissen sie, was die AfD mit Europa oder auch mit ihrem Kreis oder ihrer Stadt vorhat? Tatsächlich muss ich zugeben, dass ich auch das Programm der Partei, die ich gestern gewählt habe, nicht vorher gelesen habe, aber ich hab Samstag immerhin den Wahl-o-mat gemacht. Da stand bei mir die AfD ganz unten. Was bedeutet das Wahlergebnis jetzt also für mich? Tatsächlich wahrscheinlich vorerst wenig. Ich bin privilegiert, das ist mir durchaus bewusst. Ich habe überhaupt kein Problem mit der aktuellen Politik (erst recht nicht mit der Europäischen) und wahrscheinlich werde ich auch in den nächsten Monaten wenig dadurch beeinflusst sein. Ich habe auch überhaupt keine Angst um meinen Lebensstandard. Ich hab eigentlich viel mehr, als ich brauche. Ich bin weiß, ich bin gebildet, ich arbeite und zahle Steuern. Gegen mich hat die AfD nichts. (Außer dass ich eine Frau bin, die noch keine Kinder hat. Das muss natürlich noch geändert werden, denn im Auge der AfD sind wir ja Gebärmaschinen.) Trotzdem macht es mir Angst, wohin sich dieses Land und vor allem der Osten bewegt. Wir haben im Herbst Landtagswahl und da können wir uns auf ein ähnlich fatales Bild einstellen. Ich hab nicht Angst um mich. Ich hab Angst um all die Minderheiten, gegen die hier Politik gemacht wird. Ich habe Angst um junge Menschen, die ihre eigene Identität suchen und nicht wissen, wer sie sind und wo sie hingehören. Dass dort Dinge zerstört werden, die aktuell wachsen. Ein Bewusstsein dafür, Verständnis. Ich hab Angst um Menschen, die nach Deutschland kommen, weil es in dem Land, aus dem sie kommen, für sie nicht mehr lebenswert ist. Die hier eine Zukunft suchen. Dass sie Ablehnung erfahren, dass sie in Schubladen gesteckt werden und sie diese Zukunft hier nicht finden. Ich habe Angst um all diejenigen, die körperlich oder geistig eingeschränkt sind. Dass sie vergessen werden und als Menschen zweiter Klasse gelten. Ich habe Angst um all die Deutschen, die nicht als deutsch angesehen werden, weil sie eine andere Hautfarbe haben, weil sie ein Kopftuch tragen oder einen anderen Namen. Menschen, die seit Jahres Diskriminierung und Rassismus erfahren. Um diese Menschen habe ich Angst, denn es wird noch schlimmer werden für sie. Ich habe Angst um junge Frauen, die von ihren Männern ausgenutzt oder misshandelt werden. Dass sie nicht mehr den Mut finden, für sich einzustehen. Dass sie weniger Gehör finden, weniger Hilfe. Ich habe Angst um unsere Erde. Gerade im Hinblick auf die Menschen an der Donau, die in den letzten Wochen so viel verloren haben, finde ich es absolut zynisch zu sagen, Extremwetter habe es doch schon immer gegeben und es wäre alles nur Panik zu behaupten, die würden sich in der letzten Zeit häufen. Ich habe Angst um Muslime und Musliminnen in Deutschland. Dass sie irgendwann ihre Religion nicht mehr frei ausüben dürfen. Dass sie angefeindet werden. Ich habe Angst um die Ukraine. Dass ihre Kultur, ihre Individualität und Selbstbestimmung geopfert wird, damit wir hier in Deutschland günstigeren Strom haben.

Ja, alles das beschäftigt mich. Und es beschäftigt mich so sehr, dass ich heute in der Bahn auf dem Weg nach Hause sogar mal in das Wahlprogramm der AfD für Europa hineingelesen habe. Da steht zum Beispiel drin, es würde gar nicht stimmen, dass in unserer Gesellschaft Rassismus und Diskriminierung ein strukturelles Problem darstellen. Dazu empfehle ich gerne die Doku "Einigkeit und Recht und Vielfalt", die sehr gut Rassismus im Fußball aufzeigt (sicher habt ihr die Umfrage mitbekommen, wonach 20% der Deutschen mehr Weiße in der Nationalmannschaft sehen wollen). Da steht auch drin, es gäbe keinen menschengemachten Klimawandel. Und dass Förderschulen zum Thema Inklusion absolut ausreichen. Dass Frauen möglichst viele Kinder bekommen sollen und Abtreibung nur in Ausnahmefällen möglich sein soll. Dass Lebensformmodelle außerhalb der Familie zwar anerkannt, aber niemals mit ihr gleichgestellt werden sollen und dass man die EU und den Euro abschaffen sollte. Außerdem sei der Kolonialismus für Deutschland ja gar nicht so schlimm gewesen und wir hätten keinen Grund, uns schuldig zu fühlen oder zu schämen. Auch sollten Ausländer keine Ärzte, Pfleger oder Apotheker werden, wenn sie zu schlecht Deutsch sprechen, man solle Geflüchteten erst Geld geben, wenn sie 10 Jahre in Deutschland ohne staatliche Hilfen gelebt und Steuern gezahlt hätten. Ach ja, und natürlich müsse man sofort alle Corona-Impfungen stoppen, damit die Menschen selbstbestimmt über ihre Gesundheit entscheiden können (es sei denn, sie würden sich gerne gegen Corona impfen lassen). Und die Menschen wählen so etwas und denken tatsächlich, dass das endlich mal sie an erster Stelle stehen, wenn die AfD an die Macht kommt. Es erschreckt mich, wie wenig Menschlichkeit da drin steckt. Also nicht dass ich super viel im Wahlprogramm einer AfD erwartet hätte, aber sind wir wirklich so weit gekommen, dass jeder nur an sich denkt? Können wir nicht auch mal ein wenig an andere denken? Uns geht es doch gut. Wir leben in Frieden. Und wir haben dieses Konstrukt namens Europäische Union, dass den Frieden in Europa stärken soll und uns auch wirtschaftlich nützt. Ein System, in dem man sich gegenseitig hilft und sich unterstützt. Und dann wählen so viele eine Partei, die das alles abschaffen will, nur weil sie mit der Bundesregierung unzufrieden sind, weil sie schnelle, stinkende Autos fahren wollen und das Gefühl haben, man würde ihnen vorschreiben, wie sie zu reden haben. Wo soll das noch hinführen?

Das musste ich mal loswerden. Ich überlege tatsächlich auch, ob ich in eine Partei eintreten sollte, um ein Zeichen zu setzen, aber ob das viel ändert, weiß ich natürlich nicht. Ich hab nun wirklich keine Zeit, auch noch Parteiarbeit zu machen. Bin mit den Gremien der Kirchgemeinde eigentlich schon gut ausgelastet. Jetzt muss ich erst Mal schlafen gehen, damit ich morgen wieder gut rauskomme.

Wegen des ernsten Themas verzichten wir heute auf einen Blick in das Kuriositätenkabinett von wikipedia, aber vielleicht melde ich mich demnächst nochmal und berichte von meinen letzten Erlebnissen. Da schauen wir dann auch wieder dort rein.

Alles Liebe

eure Hannah