nachdem sich jetzt schon mehrfach Leute bei mir erkundigt haben, ob es mir gut geht und wann denn endlich der neue Blogeintrag kommt, will ich euch heute nicht länger warten lassen. Der Eintrag heute ist ja ein ganz besonderer, da ich vom Pilgern berichte und deswegen soll er heute auch ein bisschen anders gestaltet sein als sonst. Ich werde euch ein wenig mitnehmen auf die Strecke und euch tageweise jeweils einen kleinen Überblick geben (also natürlich alles rückwirkend, denn jetzt bin ich ja wieder da). Dafür werde ich mein Tagebuch, meinen Pilgerpass und ein wenig das Internet zu Rate ziehen. Außerdem gibt es auch immer wieder Fotos zu sehen. Schauen wir mal, ob der Eintrag so funktioniert, wie ich mir das vorgestellt habe. 😊
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03.08.2018 (Tag 1): Es beginnt jetzt
Zurückgelegte Strecke: Von Würzburg nach Chavanay
Davon gelaufen: Von Le-Peage-de-Roussillon nach Chavanay (ca. 9,5 km)
Was ist so passiert: Die Zugfahrt war chaotisch. Erst saßen wir ne Weile im falschen Zug, dann hatte der richtige Zug Verspätung und wir haben unseren Anschlusszug verpasst. Dadurch wurde die Reise wesentlich länger und wir mussten ein paar mal mehr umsteigen. Waren dann statt 13 Uhr erst 16 Uhr in Le-Peage-de-Rousillon. Der anschließende Fußmarsch nach Chavanay war die mit Abstand anstrengendste Etappe des ganzen Urlaubs. Wir dachten auch, dass es nur 6 km sind. Waren dann doch mehr. Der Weg war schlecht ausgeschildert, eintönig und es war unfassbar heiß. Wir hatten zu wenig Wasser dabei. Als wir nicht mehr konnten, haben wir kurz Pause gemacht. Wir hatten noch einen winzigen Apfel dabei, den wir uns geteilt haben, dann haben wir Magnesiumtabletten pur gelutscht. Das half etwas gegen den Durst. Da es keine andere Brücke gab, mussten wir am Ende an einer Schnellstraße entlang über den Fluss laufen. Wir waren so froh, als wir den Jakobsweg erreicht hatten. Die Herberge in Chavanay war einfach, aber sehr gemütlich. Abends wollten wir eigentlich früh ins Bett, wurden dann aber von den einzigen beiden anderen Leuten in der Herberge zu einer Partie Kniffel überredet. Der Typ mit dem niedlichsten Lächeln der Welt hat uns alle fertig gemacht.
Stimmung: Es ist furchtbar anstrengend, aber ich fühle mich toll.
04.08.2018 (Tag 2): Ein chaotischer Start
Zurückgelegte Strecke: Von Chavanay nach St.-Julien-Molin-Molette (ca. 17 km)
Was ist so passiert: Nachdem wir schon gute 2 Stunden bergauf gelaufen waren, stellten wir fest, dass der Typ mit dem niedlichsten Lächeln der Welt den Schlüssel für die Wäschekammer der letzten Herberge eingesteckt und mitgenommen hat. Wir überlegen schon, ob wir zurück laufen, können uns dann aber doch mit der sehr freundlichen Herbergswirtin darauf einigen, dass sie mit dem Auto in den nächsten Ort kommt und den Schlüssel dort abholt. Wir treffen das erste Mal auf Hans und Ursula, einem deutschen Ehepaar aus München. In St.-Julien-Molin-Molette schlafen wir im Haus eines privaten Radiounternehmens. So ganz verstehen wir nicht, was sie machen, aber sie bieten uns Abends noch Grillwürste an. Die sind zwar etwas dunkel geworden und auch schon leicht kalt, schmecken aber trotzdem. Es gibt außerdem Wein. Der Typ mit dem niedlichsten Lächeln der Welt trinkt keinen Wein, ich trinke dafür sein Glas und noch zwei weitere. 😉
Stimmung: Ich bin sehr müde, aber der Wein war gut.
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Die Kirche von Bessey |
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Malleval ist nur einmal im Jahr :) |
Zurückgelegte Strecke: Von St.-Julien-Molin-Molette nach Les Setoux (24 km)
Was ist so passiert: Wir haben uns das erste Mal verlaufen. Nach einem steilen Aufstieg im Wald war plötzlich unsere Muschel weg. Wir sind dann dem GPS gefolgt und unter anderem durch einen grusligen (weil sehr dunklen) alten Eisenbahntunnel gelaufen. Später sind wir dann aber wieder auf den Weg gekommen. Scheinbar waren wir gar nicht so falsch.
Abends laufen wir lange bis in den kleinen Bergort Les Setoux. Da wir abends noch kochen (es gibt zum ersten Mal Linsen) und Wäsche waschen, wird es sehr spät. Trotzdem beschließen wir, am nächsten Tag früh aufzustehen um unseren Tages-Rhythmus zu ändern.
Stimmung: Mir tut alles weh!
06.08.2018 (Tag 4): Die erste Blase
Zurückgelegte Strecke: Von Les Setoux nach Montfaucon-en-Velay (15,6 km)
Was ist so passiert: Wir treffen wieder auf Hans und Ursula und laufen ein Stück mit ihnen. Hans ist schon 77, trotzdem legen die beiden ein unglaubliches Tempo an den Tag. Wir lassen sie nach einer Weile an uns vorbeiziehen. Als wir am Nachmittag gegen 14 Uhr Montfaucon erreichen, fühlen wir uns prächtig. Wir wollen unbedingt noch weiter laufen. Ein paar Telefonate später folgt die Ernüchterung. Im nächsten Ort sind keine Herbergen frei und weiter schaffen wir es heute nicht mehr. Wir beschließen also notgedrungen im Ort zu bleiben. Die Kapelle im Ort ist wunderschön. Es gibt einen Bilderzyklus des flämischen Malers Abel Grimmer zu sehen. Dazu läuft leise Musik. Die Stimmung ist sehr schön und entschädigt uns für die außerplanmäßig kurze Etappe. Danach spendiert mir der Typ mit dem niedlichsten Lächeln der Welt Torte. 💕
In der Kirche entdecke ich meine erste Blase am Fuß. Sie hat mich beim Laufen nicht gestört, was ich für ein sehr gutes Zeichen halte. Wir können außerdem mal wirklich früh schlafen gehen (was nötig ist, denn in Les Setoux hatte ich eine furchtbare Matratze).
Stimmung: Wechselhaft. Viele bedrückende Gedanken im Kopf, abends aber doch wieder ganz gut.
07.08.2018 (Tag 5): Sind wir schlechte Pilger?
Zurückgelegte Strecke: Von Montfaucon-en-Velay nach Araules (ca. 20 km)
Was ist so passiert: Wir übernachten das erste Mal in einer so genannten "Accueil Jacquaire", das sind Leute, die Pilger in ihre Wohnungen aufnehmen. Das französische Paar hat viel Platz und neben uns noch Hans und Ursula, einen Schweizer und einen Österreicher aufgenommen. Den Österreicher Manuel kennen wir schon aus der letzten Herberge. Er schenkt uns Ohropax, da er vielleicht schnarcht. Er schnarcht nicht, aber die Ohropax leisten uns später noch sehr gute Dienste. Auf meinen Vorschlag, wir könnten am nächsten Tag ja gemeinsam laufen und uns gegenseitig motivieren, kommt allerdings nur ein gebrummtes "Mhmmmm" zur Antwort. 😁
Als wir abends noch Wäsche waschen, werden wir gerügt. Ein guter Pilger wäscht seine Wäsche direkt nachdem er ankommt, damit sie abends dann schon trocken ist. Da wir aber noch jung und "Anfänger" seien, würden wir das schon noch lernen.
Unter meinem Blasenpflaster hat sich eine weitere Blase gebildet. Das nervt mich sehr. Trotzdem nehmen wir uns vor, am nächsten Tag bis Le-Puy zu kommen.
Stimmung: Satt! (Das Essen in den Accueils ist immer echt gut)
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Tence |
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Tence |
Zurückgelegte Strecke: Von Araules nach Le-Puy-en-Velay (32 km)
Was ist so passiert: Wir laufen sehr früh los und erreichen tatsächlich schon 18.30 Uhr Le-Puy. Mit dieser Zeit haben wir nicht gerechnet. Damit haben wir den letzten Teil der Via Gebennensis abgeschlossen, nach Le-Puy geht es dann auf der Via Podiensis weiter.
Unterwegs treffen wir eine lustige Pfadfindergruppe, die mit uns Mittagessen. Sie haben richtig viel Gepäck und sogar Boxen zum Musikhören dabei. Sie teilen mit uns ihren Käse und sind ultra nett.
Unsere Unterkunft in Le-Puy ist herrlich. Sie bietet Platz für 200 Leute, trotzdem haben wir ein Doppelzimmer. Außerdem gibt es ein leckeres Abendessen mit Linsen (Le-Puy ist berühmt für seine Linsen). Wir beschließen, den nächsten Vormittag noch für die Erkundung der Stadt zu nutzen und dann erst weiter zu laufen.
Stimmung: Ich bin sehr stolz auf uns.
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Erster Blick auf Le-Puy im Tal |
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Die Marienstatue auf dem Berg ist rund 23 m hoch. |
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Die Kirche auf dem Vulkankegel ist nicht die Kathedrale von Le-Puy, sondern eine Kapelle für den Erzengel Michael. |
09.08.2018 (Tag 7): Sonne und Regen
Zurückgelegte Strecke: Von Le-Puy-en-Velay nach Montbonnet (ca. 16,5 km)
Was ist so passiert: Der Tag begann für uns mit der Pilgermesse um 7 Uhr. Wir bekamen dort einen Pilgersegen und einen kleinen Anhänger mit der Jakobsmuschel, den ich seit dem Tag an meiner Kette trug. Danach waren wir in der Kirche auf dem Vulkankegel und bei der Marienstatue auf dem Berg. Le-Puy ist Weltkulturerbe und daher für mich besonders interessant. Leider ist es auch unser erster Regentag. Es regnet nicht stark, aber da ich nicht nass werden wollte, bestand ein großer Teil des Tages aus Regenponcho an- und wieder ausziehen. Darunter staut sich ja auch die Hitze unfassbar. Die Herberge ist ein wenig ungemütlich, aber Hauptsache es gibt ein Bett.
Stimmung: Ich merke die Anstrengung der letzten Tage
10.08.2018 (Tag 8): See you at the beach (Wir sehen uns am Strand)
Zurückgelegte Strecke: Von Montbonnet nach Monistrol d'Allier (ca. 12 km)
Was so passiert ist: Wir waren wieder nicht ganz so viele Kilometer unterwegs. In Monistrol gab es einen Badesee, so dass wir dort ein wenig Pause gemacht haben. Als wir nachmittags in der Herberge ankamen, haben wir sogar erst mal einen Mittagsschlaf gemacht. Dann Wäsche waschen, einkaufen und schwimmen gehen. Das Wasser war eisig, aber es tat gut. Meine Blase am Fuß ist mittlerweile trotz Blasenpflaster (oder meiner Meinung nach gerade deswegen) riesig groß geworden. Ich mache das Pflaster ab und lasse sie an der Luft trocknen. In der Unterkunft sind nur noch zwei weitere Gäste, zwei Franzosen, die seit Le-Puy mit uns immer wieder in der gleichen Herberge waren. Später gebe ich ihnen die Spitznamen Asterix und Obelix.
Stimmung: Leicht angespannt (der Typ mit dem niedlichsten Lächeln der Welt und ich haben leicht unterschiedliche Vorstellungen zum Erkunden von Ruinen am Wegesrand), aber im Grunde gut.
11.08.2018 (Tag 9): Halbzeit
Zurückgelegte Strecke: Von Monistrol d'Allier nach Villeret d'Apchier (ca. 21 km)
Was ist so passiert: Es war sehr heiß und gab wenig Schatten. Wir bekommen beide einen Sonnenbrand. Außerdem kaufen wir uns unterwegs eine schicke (aber teure) neue Sonnencreme. Sie ist sogar zum sprühen. Da es die einzige in dem Laden war, blieb uns nichts anderen übrig, als sie zu kaufen. Statt eines Blasenpflasters decke ich meine Blase jetzt mit normalem Pflaster ab. Sie beginnt langsam zu heilen. Zum Glück hat sie mich insgesamt kaum beim Laufen eingeschränkt.
In Villeret d'Apchier schlafen wir in der "Herberge der zwei Pilger". Asterix und Obelix sind auch wieder da (obwohl sie uns morgens noch gesagt hatten, sie würden nicht so weit laufen wie wir). Die Herberge ist sehr liebevoll eingerichtet. Obwohl wir unser eigenes Abendessen gekocht haben (es gibt mal wieder Linsen), bekommen wir von den Resten, die vom Abendessen in der Herberge übrig bleiben, noch etwas zum Kosten ab. Es schmeckt super lecker. Der Herbergsvater ist sehr witzig. Er kann ein wenig deutsch und hat außerdem eine App auf seinem Handy, zu der er etwas auf französisch sagt und die das dann auf deutsch übersetzt. Sie funktioniert erstaunlich gut und so erfahren wir die Geschichte vom Käse. 😁 Außerdem singen wir alle gemeinsam vor dem Essen ein französisches Lied über das Pilgern.
Stimmung: Trotz der Anstrengungen positiv. Wir sind schon weit gekommen.
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So, da es jetzt schon recht spät ist, würde ich für heute an dieser Stelle aufhören. Natürlich kriegt ihr den zweiten Teil dann auch bald zu Gesicht. Jetzt am Wochenende bin ich aber erst Mal nicht da. Ich hoffe, es stört euch nicht, dass dann der Bericht über das, was ich jetzt die Tage nach dem Pilgern so erlebe etwas zu kurz kommt, aber es ist eh nicht so viel spannendes dabei. Bis Montag habe ich mir noch Schonfrist gesetzt, dann will ich meine Ferien beenden und wieder an den Schreibtisch zurückkehren. Mal sehen, wie das funktioniert. Ich hoffe, der erste Teil meiner Pilgerreise hat euch gefallen. Ich bin immer mal in den Zeitformen hin und her gesprungen. Ich hoffe, das stört euch nicht. Mir hat es auf jeden Fall Spaß gemacht und ich freue mich auch schon auf den zweiten Teil des Berichts. Über Kommentare, oder anderweitiges Feedback würde ich mich wie immer sehr freuen.
Dann wünsche ich euch erst einmal ein schönes Wochenende. Bleibt behütet und bis bald.
Alles Liebe
eure Hannah
Liebe Hannah,
AntwortenLöschendanke für den 1. Bericht über eure Pilgerreise.
Ich weiß zwar nicht genau, inwiefern sich dein Beitrag von deinen bisherigen unterscheidet, aber das bekomme ich schon noch raus ;-).
Inwiefern unterscheiden sich denn deine Ruinen-Erkundungs-Gelüste von denen von Jonathan?
Lass mich raten: Er möchte sie gern erkunden und du lieber nicht? (Ich kann auch falsch liegen :-) )
Liebe Grüße nach Würzburg
Luki
PS.: Schöne Bilder :) !
AntwortenLöschenLiebe Hannah,
AntwortenLöschenich freue mich sehr dass wieder ein neuer Beitrag da ist, tut mir Leid, dass du ein bisschen auf meinen Kommentar warten musstest, aber jetzt fühle ich mich schon auf dem Weg der Besserung und hab daher auch ein bisschen mehr Zeit für den Laptop. Das klingt auf jeden Fall nach einer sehr spannenden Reise. Kann mir gut vorstellen, dass der Anfang besonders anstrengend ist und man dann aber immer besser rein kommt. Ist auch irgendwie witzig, wie ihr immer die gleichen Menschen trefft.
Ich hatte schon ein bisschen Sorge bei der Überschrift mit den schlechten Pilgern aber solange es dabei nur um die Wäsche geht, kann man sicher darüber hinwegsehen ^^ Wie habt ihr euch eigentlich mit den meisten Menschen verständigt? Hauptsächlich auf Englisch und Deutsch, oder konnte Bluejack seine Französischskills auspacken?
Bin gespannt auf den zweiten Teil des Beitrags. Zwischendrin kam bei mir richtiges Kerkeling-Feeling auf ^^
Beste Grüße
deine Leni